Jukola-Erlebnisbericht



Mein Zweiter Fremdgang

 

Wenn die Nerven nicht mehr zu kitzeln vermögen,
die Herausforderung nicht mehr fordert
und das Unbekannte seine Vorsilbe verliert,
es dich aber immer noch nach mehr giert.

Wie eine Droge verhält es sich,
die alte Dosis reicht nicht mehr für mich.
Neue Taten, Orte und Bekanntschaften müssen her
Bis jetzt kannte ich es noch nicht, aber das Fernweh schmerzt sehr.

So kam es, dass auch ich bescholtener junger Jüngling von Mittwoch bis Wochenende,
entfloh in das unbekannte Fremde.
Und das nicht wie normal
mit meinem Heimclub OLC Kapreolo
Die Anfrage kam wirklich sehr spontan
und es ist eine Gruppe mit einem Venla-team, ich war ja noch Solo.

Ein Jugendverbund von OLG Thun, Hondrich und Anderen, genannt Vogulisi Team bezirzte mich im genau richtigen Moment und warb mich zuerst für die vierte (die kürzeste), dann die sechst und am Ende für die siebte, letzte und längste Strecke der Jukola an.

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S’ist einmal im Jahre, da fliege ich mit dem Kerosin angetriebenen Motor über Länder hinweg. Nur hatte dieser 15.Juni.2022 vor, die Teilnahme verschiedener Teams an der Jukola und Venla mit einer Luftraumsperrung über der Schweiz zu vereiteln. Wir trotzen diesen wyderlichen Umständen, bezahlten dafür aber mit vielen Nerven, langen Wartezeiten, Gesprächen mit alten russischen Uromis und einer um 15h verspäteten Ankunft in Helsinki. Unser Flug ging sowieso via Riga nach Helsinki, doch in Riga hatten sie auch keine Lust mehr zu fliegen und so bekamen wir auf Kosten der Airline eine gratis Übernachtung in einem Hotel inkl. Z’morgen. Ungenannte Personen hatten das Unglück am Pariser Flughafen auf einer Sitzbank zu übernachten. Aufgrund der verspäteten Ankunft in Helsinki gab es noch kleine «Du kannst mich mal mieten-Auto» Komplikationen und wir kämpften uns anstelle des Waldes durch Telefonleitungen und Wireless-kabel. Endlich im Kia fuhren wir 2h gen Westen, vorbei an Turku und bogen auf einer 80er Strecke auf einen Waldweg ab zum Training. Es waren schon ca. 50 Läufer vor Ort wobei, Schweizer Anzahlmässig am stärksten vertreten waren. So traf ich nach meinem ersten Training, in sichtigem schnellem Wald mit vielen Felspassagen, die überraschten Kapreöli, da viele nicht wussten, dass ich auch vor Ort aber nicht von der Partie war. Am späteren Nachmittag schoben wir noch ein zweites Training ein da wir ja einen Tag verloren hatten. Am Donnerstagabend kamen wir dann das erste Mal in unserem Haus mit Fernseher, Mikrowelle, Klavier, zwei Saunas und Pool in Naantali an. Das spielen des Klaviers wurde sogleich zum Tabu, vielleicht auch weil es im Schlafzimmer von Zweien stand, schade. Unsere drei Ersten Läufer, welche an der Jukola die Nachtbahnen bestritten liessen das Nachmittagstraining aus, damit sie am Abend noch ein letztes Nachttraining geniessen konnten.
Am Freitag wachte ich zu früh auf und so schien mir ein Footing angemessen, auch beim joggen ist es doch immer am spannendsten, wenn die Umgebung unerkundet ist. Um sieben Uhr kam ich zurück und fand schon eine andersgeschlechtliche, wache Person, lesend am Pool. Sogleich war ich umgezogen und im kühlen Nass, aber nicht ohne vorher in Zeitlupe hinter dem Buch zu posieren, der ganze Flex nützte nichts, auch mein jahrelang einstudierter Balztanz mit Seerose und Hundeschwumm imponierten ihr nicht gross und schienen keinen Blick über das Buch wert zu sein. So chillte ich halt einfach im Aufblasbaren Kinderpool, welcher im Pool schwamm und tröstete mich mit dem Gedanken, dass es noch drei andere gäbe. Auch anderweitig gab es Ablenkung, denn nach dem Z’morgen hatten wir einen Theorie Block zu «Geländeanalyse» und «Wettkampfinfos/tips», wobei mich diese Seriösität sehr unvorbereitet traf. Zur Hauptprobe beliefen wir einen neuen wunderschönen Waldteil und alle kamen voller Selbstvertrauen wieder aus dem Wald, perfekt für den morgigen Tag. Es war das erste Mal da ich die angestrebte Top 200 Klassierung in möglicher Reichweite sah. Auf dem Heimweg besichtigten wir die Zielarena und nahmen unsere Startnummern inkl. Emits entgegen. Die schon lange schlummernde Idee eines Teamvorstellungs-Films nahm nach dem Reis-Casimir Z’nacht Gestalt an und wurde sogleich auf allen Kanälen verbreitet um unsere Konkurrenz einzuschüchtern.
Ich hatte einen schönen gechillten Abend, da ich erst am Sonntagmorgen starten würde, unsere Läufer der 4. & 5. Strecke schoben jedoch schon Krise wegen den errechneten Schlafstunden die sie (nicht) haben werden und wollten was versuchen mit Vorschlafen und Schlafrhythmus ändern. Ich dagegen schlief so gut wie schon lange nicht mehr, denn Morgen war für mich ja erst der Venla-day.

 

Da die Sonne so spät unterging, standen wir auch später auf und so mussten die Frauen schon richtung Arena los, wir dachten wir hätten genug Zeit, was sich wiederum zu einem Sprint vom Parkplatz ins WKZ verwandelte. Nass von Innen und Aussen sahen wir gerade noch den Start der Venla, die rannten so schnell wie der Nachmittag verging, trotz unregelmässigen Wolkenbrüchen. Solch grosse Wettkämpfe haben starke Ähnlichkeiten mit Volksfestern, der Fröhlichkeitspegel war sehr ähnlich aber auch der Bierkonsum, welcher meist von den Sponsorenteams angehoben wird, lag nicht weit drunter. So sieht man allerwelts Menschen und natürlich auch bekannte Schweizer Gesichter, was immer ein riesen Gaudi wurde. Das Vogulisi-Venla-team wurde am Ende 225.  Nach der Heimfahrt wurde die steigende Nervosität nur durch die geringere Lautstärke erkennbar, unsere Läufer auf den ersten Strecken vertieften sich in ihre Mentale Vorbereitung, die anderen machten sich für ein Footing bereit und ich, ich schlief. Um 21:00 Uhr zogen wir wieder los um uns einen guten Zuschauerplatz für den absolut epischen Jukolastart zu ergattern. Um 23:00 Uhr starteten unter Maschinengewehr Geballer 1591 Teams, als alle langsam durch waren kam noch ein verspäteter Läufer, der sich mal schön hintenanstellen konnte. Nur unser Zweite und Dritte Läufer blieben im WKZ inkl. der Frauen, der Rest ging zurück ins Haus (mit dem Auto 20 Minuten entfernt) um zu schlafen… eigentlich. Zuerst wurde der Fernseher eingeschaltet um Sevi unseren Startläufer und natürlich Timo Tantanini, welcher bei Halden SK2 startete und lange im vordersten Tram lief, zu verfolgen. Als Sevi mit der 141. Ins Ziel kam war für mich Zeit wiedermal ins Bett zu schlüpfen. Nur noch ein kleiner Blick auf das Jukola-App, dachte ich, um zu sehen ob unsere Zwei auch gut gestartet ist. Und so schnell ging es war ich schon wieder hellwach, vor Nervosität geschüttelt hüpfte ich vor dem Fernseher auf und ab, während ich Nici unter den Top 100 laufen sah. In dieser Nacht fand ich keinen erholsamen Schlaf mehr, bald kam Sevi nach Hause und als die Legende von Strecke zwei das Haus betrat war ich schon auf meinem Teppich und betete ihn an. Es vergingen zwar noch Stunden bis ich starten würde, aber eine bessere Ausgangslage konnte ich mir nicht vorstellen. Bald waren nur noch unser sechste Läufer und ich in der Gewalt der Nervosität gefangen. Um 05:45Uhr fuhr ich ab Naantali und so spürte ich schon bald wieder die motivierende Atmosphäre eines guten OL Wettkampfes. Wie geplant hatte ich noch genügend Zeit im WKZ und so kam es, dass das Selection-Trainingsteam, zwar in komplett verschiedenen Clubs startete aber sich in Finnland kurzzeitig wieder vereinte. Timo schon gelaufen und überglücklich, Roman und ich dagegen warteten noch nervös wie Eber auf unsere Starts. Lange wars her, da ich solche Nervosität in meinem Herzen spürte und so freute ich mich umso mehr auf den sechsten Läufer, den Wald und die siebte Strecke. An 147. Position rannte ich den kurzen aber steilen Starthang hinauf, sobald ich den Wald betrat verschwand der Arenalärm und die Nervosität, die Sinne wurden scharf und die Beine waren wild. Denn jetzt durfte ich mich glatte 112 Minuten mit Posten finden, bölzen und kämpfen vergnügen. Ich sage nicht, dass der Lauf perfekt war, nach kurzen Anfangsschwierigkeiten mit dem Tempo kamen mir die Posten und Läufer nur noch so entgegen. Zum Zweitletzten Posten liess ich noch einen Ein-Minüter in meinen schönen Wettkampf einfliessen um auch noch was daraus zu lernen. Während dem Zieleinlauf sah ich die grosse Ziffer 129 und da fiel eine riesengrosse Erleichterung von mir ab, ich spurtete die letzten Meter lachend ins Ziel und fiel auf die Knie. Es begann zu regnen und das nicht vom Himmel.

 

Im Team hatten wir leider gar nicht richtig Zeit zu geniessen und feiern, denn das Haus musste bis um 11:00 Uhr (in ca. 1.5h) geräumt und geputzt sein, auch ich half tatkräftig mit indem ich den Kühlschrank zu leeren begann. Da viele noch nichts Richtiges gegessen hatten, fuhren wir nach Turku in eine IKEA, doch hier teilte sich unsere Gruppe. Ich hatte mit Cyrill und Annina den gleichen Flug noch am selben Nachmittag, Fabienne & Malin blieben im Norden und der Rest hatte den Flug erst am nächsten Morgen. Nach zwei Stunden Fahrt am Flughafen angekommen war es sehr schwer keinen OL Läufer anzutreffen, es kam mir vor als ob alle so spitz darauf waren am Montagmorgen wieder auf der Arbeit zu sein. Die Warteschlange für den safety-check war länger als vor der Damentoilette, doch auch wir kamen dran und durften uns durchchecken lassen. Während dem Flug verweilte ich in einem unruhigen Traumland und bei jedem Aufwachen spielte meine Sitznachbarin Candy Crush, wahrscheinlich war dabei höchste Konzentration von Nöten, denn ihr fiel nicht auf, dass ich nach dem Wettkampf noch keine Zeit hatte zu duschen. Die Verabschiedung und Heimreise ist schnell erzählt oder in diesem Falle gar nicht, am Abend schlief ich auf meinem Lehrbetrieb in Hallwil überglücklich ein und träumte von der achten Strecke.

 

 

Die Jukola/Venla zählt als grösste OL-Staffel der Welt und findet alljährlich in Finnland statt. Die Venla ist ein vierköpfiges Frauenteam, welche den Massenstart um 14:00 Uhr hat. Die Jukola besteht aus einem siebenköpfigen Männerteam, wobei Frauen auch laufen dürfen, dieser Start ist um 23:00 Uhr. Insgesamt waren in diesem Jahr ca. 16'000 Läufer vor Ort und das nur für einen Wettkampf. Der OLC Kapreolo läuft seit 1999 fast jährlich an der Jukola mit, das Bestresultat ist der 58. Rang und wurde im Jahre 2000 erzielt. Das erfolgreiche Team war gespickt mit OL Legenden:


1. Dany Schulthess
2. Willi Müller
3. Corsin Caluori
4. Päsce Vieser
5. Peter Haldi
6. Luki Schulthess
7. Chrigi Mohn

Dieses Jahr lief Kapreolo1 auf den guten 181. Platz, was einen super Startplatz für das nächste Jahr bringt. Denn die Machtverhältnisse schwanken im Team und die junge Generation stellt sich immer öfters in Pose für einen Kapreolo 1 Platz. Wenn es so weiter geht sind für die Jukola bald schon Selektionsläufe von Nöten. Das Ziel der nächsten fünf Jahre ist erstmals ein Top 100 Platz, aber auch das Bestresultat weilt schon viel zu lange. Wir hoffen auf stabile Junge, routinierte Alte und schnelle Japaner.