Thüringer 24h-OL 2022



Mein Erster Fremdgang

 

Ich liebe das Unbekannte, Herausfordernde auch Nervenkitzlige … Witzige.
Neue Bekanntschaften, alte Gefährten
alte Mannschaften, neue Affairen.
MERKE:= Bleibts ungesehen gibt’s nichts zu klären.
Doch zu sehen sind all deine Flecken, Narben & Male.
Versteckst du sie gut, gelingt es vielleicht mehrere Male.
So kam es, dass auch ich unbescholtener junger Jüngling eines Wochenendes,
entfloh in unbekanntes Fremdes.
Getrieben von der Sehnsucht und dem durstigen Heisshunger auf neue exotische subtropische Erfahrungen, verführte es mich über die Grenze, vorbei am Rheinfall, vorbei an Würzburg, Schweinefurt ins Bundesland Thüringen bis hin zum Dorf Meiningen in ein enges 2er Zelt.
Nicht nur die Zeit war reif, denn es war Frühling.
Die einzige Unschönheit daran war nicht Ich direkt, sondern eher die reale Begebenheit, dass ich dieses Zelt alleine mit mir teilte. Aber auch das birgt seine guten Saiten, denn ich liess mich gewollt und sans problème (problème f.) vom ruhigen Klang in die Konzentration geleiten.
Die Mentale Vorbereitung für den 23.Thüringer 24h OL hat begonnen.


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Der Thüringer 24h OL findet in der Regel alle zwei Jahre im Bundesland Thüringen statt, mit WKZ und Camping in nächster Nähe ausgerüstet geht der Wettkampf von 9:00 Uhr bis um 9:00 Uhr am Folgetag. Es wird immer in sechsköpfigen Teams und der gleichen Läuferreihenfolge gestartet, so rannte ich die 1., 7., 13., 19., 25., 31. & 37. Strecke. Zu Beginn gab es sechs Themen Bahnen welche in beliebiger Reihenfolge absolviert werden konnten, nur die 1. war gesetzt, weshalb ich auf genau diese wollte => am meisten Gegnerkontakt. Nach diesen ersten sechs Bahnen waren wir von insgesamt 72 Teams auf dem 3.Platz, 15 Minuten vor unserem zweiten Team. WICHTIG! Ab da war die Platzierung nie wirklich klar, denn es gab 16 Tagbahnen welche in beliebiger Reihenfolge gelaufen wurden, um 19:00 Uhr mussten zwei Dämmerungsbahnen absolviert werden und anschliessend wurden auch die 14 Nachtbahnen freigeschaltet, übrige Tagbahnen durften auch noch in der Nacht gelaufen werden. Als allerletztes gab es noch die Finalbahn, doch dazu kamen nur etwa vier Teams. Die Streckendaten gingen von 1.8KM 35HM bis zu 8.9KM 360HM. Das Ziel war möglichst viele Strecken, wenn nicht gar alle nach Hause zu bringen.

 

Für den 24h-OL war ich schon angemeldet, doch ich wollte mehr, so passte der Waldsprint & Long vom EGK 5-Tägeler «perfekt» in meinen nicht vorhandenen Trainingsplan, jetzt erst sind die Beine richtig schwer. Am Freitag dem 27.Mai.2022 startete meine Expedition um 07:45 Uhr ab Pfäffikon ZH, so hiess auch der relativ unbekannte Club von welchem ich eingekauft wurde, zahlt übrigens sehr gut. Der schon erwähnte Fahrtweg mit dem Car dauerte inkl. einstündiger Pause bis um 4 Uhr Nachmittags. Die Errichtung unserer Nachtlager ging Zack-Zack, habe erstmals ein blaues Clubzelt aufgestellt. Der Unterschied zu unserem ist in etwa vergleichbar mit der Geschmacksdifferenz zwischen dem roten und blauen Branchli. Anschliessend gab es Happi-Happi => Carboloading, Abi-Waschi => Alles mit ohni warm Wasser und dann Party-Harti mit der genialen Cover-Band «Acoustic line». Wenn die Anzahl Schlafstunden einmal sachlich betrachtet werden, könnte man meinen wir hätten das Schlafverhalten der nächsten Nacht vorsimuliert.
Nichts geht über eine gute Wettkampfsvorbereitung!

 

05:30 Uhr trieb die Kälte und Helligkeit die Ersten aus den Zelten, so bekam das hintergründige Vogelgezwitscher ein zunehmendes Reissverschluss geratsche als 1. & leises Geflüster als 2.Stimme. Je nach Position in der Startreihenfolge durften manche länger liegen bleiben als andere, doch um 7:30 Uhr waren spätestens alle wach. Der Zmorgen wurde von unheilankündenden, dunklen Wolken begleitet und dann gar von einzelnen Regenschauer gestört. Auch die Temperatur steigerte die Laune kaum und so lief ich unter Nieselregen und frischen Temperaturen ein. Doch da! Kurz vor 9:00 Uhr erwachte die Sonne, wahrscheinlich um denn Massenstart ja nicht zu verpassen. Angefeuert durch denn zusätzlichen Fan spurtete ich punkt 9:00 Uhr mit der Masse los, meine angesagten 25 Minuten auf die 4.2KM 90HM unterbot ich um ganze 34 Sekunden doch den Sieg verpasste ich um deren 15. So hoppelte Pascal Haas an dritter Position in den Wald und ich konnte erstmals denn Rückweg zum Camping antreten. Die Strecke von ca. 500 Meter ist perfekt für das ein & auslaufen, bei den Zelten angekommen konnte ich von meinen ersten Waldeindrücken und Souvenirs berichten.
Der Wald ist sehr grün gezeichnet, die Sicht ist beschränkt die Belaufbarkeit jedoch nicht, Dornen hat es nur an seltenen auserwählten Orten und das dunkle Grün sind meist tiefe und dunkle Tannenwäldchen. Achtung, es hat viele Posten im Wald!


Meiner Vorstellung zufolge wäre nach einer kleinen Verpflegung wieder das Schlafen an der Reihe, was ich auch 15 erfolglose Minuten versuchte. Ach, wie soll ich auch pennen wenn die Sonne scheint, die Kollegen nervös auf ihren ersten Einsatz warten, das Adrenalin noch nicht abgeklungen und der Wald ruft? «Mission Impossible» So stand ich wieder im blauen Clubzelt und liebäugelte mit dem Staffel-/Taktiksplan vom Organisator, niemand wollte sich der Streckenplanung annehmen. Nice, genau mein Ding. Meiner Planung nach zu Folge wären unsere Themenbahnen um 12:00 Uhr fertig, doch jeder stand wieder ein paar Minuten früher im Zelt und so durfte ich schon um 11:32 Uhr auf meine zweite Strecke von 6.1KM 150HM. Diesmal ohne jeglichen Gegnerkontakt belief ich einen zweiten Teil des Waldes, in meinem Kopf war der Kampf zwischen Vollgas und schonen für die nächsten 21 Stunden. Um 12:13 im Ziel angekommen dachte ich: «Fuck it, eifach All-in und luege öbis überleb, das wird geil!» In dieser Pause gab ich mir gar nicht erst die Mühe ein paar Minütchen zu schlafen, stattdessen wurde die Planung fortgesetzt und wir begannen zu kochen. Köttbular und Kartoffelstock, yeah, schmeckte okei, aber wichtig war ja eh nur die Nahrungsaufnahme. Unsere Taktik war zu Beginn mit viel Energie und Elan die eher längeren Bahnen abzuschliessen, ausgenommen den zwei längsten, da eine gewisse Unsicherheit bestand, dass wir nicht alle schaffen könnten. Längere Bahnen => Längere Laufzeiten, deshalb startete ich erst um 15:05 auf meine dritte Bahn von 4.6KM 75HM. Das war ein kurzer Spass dachte ich nach 26 Minuten wieder im Ziel doch die Anstrengung drängte langsam in den Kopf und die Glieder. Egal, besseres zu tun. Langsam wurde es spannend in der Planung, es gab nicht mehr viele kurze und trotzdem noch ein paar lange Bahnen, dazu kam 19:00 Uhr und so auch die Dämmerungsbahnen immer näher. Wenn eine lahme Ente die lange Dämmerung (6.1KM 150HM) rennen muss sind wir verloren. Doch es klappte, ich rannte meine vierte Bahn von 7.7KM 175HM in 50 Minuten und kam knapp um fünf vor sieben zur Übergabe, Haas hoppelte noch blitzschnell eine kurze Tagbahn bevor Irina Mayer und Remo Thoma in die Dämmerung rannten. Die Stimmung im Team und dem WKZ waren genial und durch die leichte Müdigkeit wurde alles noch besser, so rannte ich mit einem ständigen lächeln beschmückt direkt weiter zum Zelt um meine Freude zu teilen. Die Sonne war im Begriff unterzugehen und das Abendrot wartete nur noch auf seinen Auftritt, die Älplermagronen standen auch schon unter dem Sonnentuch bereit und alle begrüssten & johlten mich, genau das sind Ferien. Wir bekamen noch Verstärkung im (Küchen)team von Sibylle Bieri, welche von zuhause mit dem Velo vor und nach gereist ist, das erleichterte vieles und das Geschirr wurde auch wiedermal richtig sauber. Zwischendurch man glaubt es kaum sassen wir rum, plauderten, snackten, planten und die einen lernten noch auf eine Semesterabschlussprüfung. Die Nachtbahnen konnten nun auch in die Planung miteinbezogen werden, die Idee war, zuerst bis ca. 23:00 Uhr kleinere Nachtbahnen zu laufen, damit in der tiefen Nacht, die langen Bahnen den Teamkollegen mehr Schlaf verschafften. Ich hatte Glück und kam um 21:46 gerade noch ohne Nachtlampeneinsatz mit 23 Minuten auf 3.1KM 105HM aus dem Wald. Die Dunkelheit lockte mich in den Schlafsack, aber kaum da gaben auch meine Gedanken dem Schlafe nach, hört ich ein hoppeln und die Stimme von Pascal, ich soll nochmals auslesen gehen, etwas stimmt nicht. Mein einziger Gedanke: «Scheisse». Im Pijama bekleidet lief ich ins WKZ um das Mysterium zu klären, denn sie haben mir schon direkt nach dem ersten Mal auslesen das OK gegeben, so stellte sich heraus, dass sie mich anstelle in Team 63 im Team 263 hatten, diese Szene war anscheinend so wettkampfbewegend, dass sie es in den offiziellen Trailer schaffte. Kurzweilig war die Müdigkeit verschwunden und ich hatte keine Lust mehr mich für nur eine Stunde hinzulegen. Im Clubzelt war immer Bewegung und so wurde ich nicht genötigt mich mit essen wach zu halten. Durchschnitts Menschen schlafen um zwanzig vor eins doch ich gehe nochmals raus, nicht mit dem Hund oder auf die Toilette, nein ich mache Orientierungslauf und das aus vielen Gründen. Stellt euch vor es ist kalt, dunkel, ihr seid müde und seht das Licht vom WKZ nur leicht in der Nähe, doch mit jedem Schritt entspannen sich die Muskeln, die Lichter werden heller und das ruhige, murmlige Ambiente im Start-/Zielgelände erweckt in dir eine warme Freude. Waren die Schritte zu Beginn noch ein wenig schlurfend, entwickelten sie sich nach & nach zu regelrechten Luftsprüngen. Um Punkt 01:01 Uhr löste ich Christoph Meier von der letzten kurzen Strecke ab, denn ab jetzt gab es nur noch längere Bahnen. Für mich war’s die lange Tagbahn (9.2KM 315HM), da diese nur 14 Posten hatte und wir eine «bölzer» Bahn erwarteten, das war es auch doch da ich trainingsbedingt nach ca. 30 Minuten nicht mehr auf Volltouren zu laufen vermag wurden es schlussendlich 77 Minuten. Als ich aus dem Wald rannte/torkelte, war ich wie in Trance und es war für mich kaum zu glauben das ich schon wieder aus diesem Wald kam und endlich schlafen gehen konnte. Kurz vor dem Schlafen und einem Hungerrast schlang ich noch eine halb volle Apfelmuskonserve, wie auch die restlichen Salzstängeli runter.


05:50 Uhr wieder hellwach, die ca. 3h Schlaf wirkten Wunder für den Kopf, die Muskulatur dagegen war verspannt wie Sau. Doch zuerst wurde erkundigt wer gerade läuft und wie wir im Zeitplan standen, da ich höchstwahrscheinlich noch eine Strecke geniessen durfte. Wenn ich meine Bahn von 6.6KM 175HM ins Ziel brächte, hätten wir 37 von 39 Bahnen, aber die 38er Marke läge im Optimalfall auch noch drin. Leider löste ich Christoph erst um 07:10 Uhr ab und wusste, dass wir die 38. Strecke (8.9KM 360HM) vergessen können, auch wenn ich mit 45 Minuten durchkäme. So war dann leider neben den physischen Kräften auch die mentale Stabilität in der Kippe und dazu noch 25 Posten zu finden. Dieser war klar mein schlechtester Lauf, aber mit grösstem Erfahrungswert in Bezug auf Müdigkeit, Durchhaltewille & Hoffnung behalten. Um 08:10 Uhr kam ich das letzte Mal aus dem Wald, für Pascal war die Unmöglichkeit seiner Mission klar und daher lief er nur einen kleinen Teil der Strecke. Eine Spezialität dieses Wettkampfs ist, dass es auf Zeit geht, wer nach 09:00 Uhr ins Ziel kommt zählt nicht mehr, das gibt manchen Schlussläufern nochmals einen Ansporn, so schaffte es einer mit der Finalbahn das Ziel um 08:59;59 zu stempeln. Das WKZ tobte!
So war man erst noch im totalen Wettkampffieber und schon begann das aufräumen, abbrechen und heimreisen. Alle schalteten vier Gänge tiefer und die Reflexe waren auch nicht mehr fit, dass ist das erste Mal, dass ich mich auf acht Stunden Carfahrt freue. Dieser Wettkampf wird mich auf jedenfall nicht das letzte Mal gehört,gesehen & gerochen haben, eventuell auch mit meinem Heimclub :)

Für mich ist das die absolut genialste OL Wettkampfsform der Gegenwart!

Autor: Je nach Connections oder Schreibstil erkennt ihr Ihn. Auch die zwei angehängten Videos könnten helfen.

 

Trailer vom 23. Thüringer 24-Stunden Orientierungslauf. - YouTube

Start1 - YouTube 360° Video am Massenstart